HKMW Rechtsanwälte
HKMW Rechtsanwälte

Kontakt

Anschrift

HKMW Rechtsanwälte
Sachsenring 43
50677 Köln

 

Telefon

+49 221 233240

Telefax

+49 221 233241

 

E-Mail

info@hkmw.de

 

 

OLG Hamm I-4 U 91/15 - veraltete UVP

Werbung unter Angabe einer veralteten unverbindlichen Herstellerpreisempfehlung - Hinweis auf das Modelljahr reicht nicht aus

In einem von Rechtsanwalt Malte Mörger geführten Verfahren hat das Oberlandesgericht Hamm am 11.08.2015 entschieden, dass die Bezugname auf eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers als irreführend anzusehen ist, wenn diese im Zeitpunkt der Werbung nicht mehr gültig ist, weil sie keinen Bestand mehr hat und der Werbende auf diesen Umstand nicht hinweist.

 

In dem konkreten Fall hatte Rechtsanwalt Malte Mörger im Auftrag eines Mandanten einen Fahrradhändler aus Freiburg abgemahnt, weil dieser mit einer aus dem Vorjahr stammenden unverbindlichen Preisempfehlung warb, wobei er nicht explizit darauf hinwies, dass es sich um ein beim Hersteller nicht mehr verfügbares Vorjahresmodell handelte und es sich daher lediglich um eine ehemalige unverbindliche Preisempfehlung handelte.

 

Der abgemahnte Fahrradhändler beauftragte den Freiburger Rechtsanwalt Morton Douglas, unter dessen Beratung eine außergerichtliche Beilegung des Streits nicht zustande kam. Dieser teilte vielmehr mit:

 

"Die Ausführungen im Hinblick auf die Angabe der unverbindlichen Preisempfehlung des Hertellers können nicht im Ansatz nachvollzogen werden. Schon aus Ihren Ausführungen ist nicht zu erkennen, worin die Irreführung unseres Mandsanten liegen sollte."

 

Unser Mandant liess sich von diesen starken Worten nicht abschrecken, so dass bei dem Landgericht Bochum ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt wurde, dem das Landgericht indes nicht stattgab. Erst auf die von uns eingelegte Berufung wurde die eintweilige Verfügung durch das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 11.08.2015 erlassen:

 

Aus den Entscheidungsgründen:

A.

Die Verfügungsklägerin vertreibt im Internet über den Online-Shop in ihrem Internetauftritt ABC Fahrräder und Fahrradzubehör.

 

Der Verfügungsbeklagte vertreibt im stationären Handel in Freiburg und im Internet über den Online-Shop in seinem lnternetauftritt DEF ebenfalls Fahrräder und Fahrradzubehör.

 

Am 27.03.2015 bot der Verfügungsbeklagte in seinem Online-Shop ein Elektrofahrrad „Kreidler Vitality Eco 1 Wave Shimano Nexus 7 Gang“ (Farbe: „weiß glänzend“) zum Preis von 1,699,00 € an (Internetausdruck Anlage HKMW 1 = Blatt 9 der Gerichtsakte). Oberhalb der Angabe des vorgenannten Verkaufspreises enthielt die Angebotsseite den (kleiner gedruckten) Hinweis „UVP 1.999,99 €“ Das angebotene, von dem Verfügungsbeklagten auf der Angebotsseite mit dem zusätzlichen Hinweis „Modell 2014“ beschriebene Fahrradmodell war in der vom 09.08.2013 bis zum 07.08.2014 gültigen „Preisliste Saison 2014“ des Herstellers „Kreidler“ (Anlage HKMW 2 = Blatt 10-11 der Gerichtsakte) aufgeführt und dort mit der Preisangabe „1.999,90 €“ versehen. Die seit dem 08.08.2014 gültige „Preisliste Saison 2015“ des Herstellers (Anlage HKMW 3 = Blatt 1243 der Gerichtsakte) führt das angebotene Fahrradmodell nicht mehr auf; sie enthält lediglich ein Nachfolgemodell, das zwar den gleichen Namen trägt, jedoch eine andere Farbe hat und über eine Batterie mit größerer Kapazität verfügt, mit einer Preisempfehlung von 1.999,90 €.

 

Die Verfügungsklägerin mahnte den Verfügungsbeklagten daraufhin mit anwaltlichem Schriftsatz vorn 31.03.2015 (Anlage HKMW 5 = Blatt 18-22 der Gerichtsakte) ab. Sie warf dem Verfügungsbeklagten u.a. vor, er habe irreführend mit einer ehemaligen Preisempfehlung des Herstellers geworben, ohne deutlich zu machen, dass diese Preisempfehlung gar nicht mehr gültig gewesen sei.

 

Der Verfügungsbeklagte antwortete auf die Abmahnung mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.04.2015 (Anlage HKMW 6 = Blatt 23-25 der Gerichtsakte). Den vorerwähnten wettbewerbsrechtlichen Vorwurf wies er dabei zurück.

 

Die Verfügungsklägerin hat gegenüber dem Landgericht ihre rechtliche Argumentation aus der Abmahnung wiederholt und weiter vertieft. Es sei irreführend, unter Angabe einer nicht mehr gültigen unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers zu werben, ohne deutlich zu machen, dass die Preisempfehlung nicht mehr gültig sei. Dass der Verfügungsbeklagte das angebotene Fahrrad in seiner Internetwerbung als „Modell 2014" bezeichnet habe, könne ihn nicht entlasten. Diese Angabe führe dem Verbraucher nicht vor Augen, dass es sich nicht (mehr) um eine Ware aus dem aktuell beim Hersteller verfügbaren Sortiment handele, wovon der Kunde allerdings ausgehe, wenn er auf eine unverbindliche Preisempfehlung hingewiesen werde. Der Werbung des Verfügungsbeklagten sei nämlich nicht zu entnehmen, dass der Hersteller ein Nachfolgemodell auf den Markt gebracht habe, so dass der Kunde das angebotene „Modell 2014“ ohne Weiteres für das aktuelle Modell halten werde.

 

Die Verfügungsklägerin hat (zuletzt) beantragt, den Verfügungsbeklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln im Wege der einstweiligen Verfügung zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Bereich des Handels mit Fahrrädern, alternativ oder kumulativ

a) unter Gegenüberstellung des eigenen Verkaufspreises mit unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers für den Absatz von Waren zu werben, die zum Zeitpunkt der Werbung vom Hersteller nicht mehr angeboten werden, wie am 27.03.2015 im Angebot „Kreidler Vitality Eco 1 Wave Shimano Nexus 7-Gang“ gemäß Anlage HKMW 1 und nachfolgend wiedergegeben geschehen:

(es folgt eine Abbildung, siehe Blatt 2 der Gerichtsakte);

hilfsweise:

 

unter Gegenüberstellung des eigenen Verkaufspreises mit unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers für den Absatz von Waren zu werben, die zum Zeitpunkt der Werbung vom Hersteller nicht mehr angeboten werden, wie am 24.04.2015 im Angebot „Bergamont Vitox 8.2“ gemäß Anlage HKMW 8 und nachfolgend wiedergegeben geschehen:

(es folgt eine Abbildung, siehe Blatt 54 der Gerichtsakte);

b) (Unterlassungsantrag bzgl. der Werbung mit Hinweisen auf Garantien; auf die Wiedergabe des Wortlautes dieses Antrages, der für das Berufungsverfahren keine Bedeutung hat, wird verzichtet.)

Der Verfügungsbeklagte hat den unter a) gestellten Hilfsantrag anerkannt und im Übrigen beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

 

Der Verfügungsbeklagte hat die Auffassung vertreten, die angesprochenen Verbraucher gingen aufgrund des Hinweises „Modell 2014“ in der Internetwerbung davon aus, dass es sich um das Vorjahresmodell, mithin ein Auslaufmodell, handele. Dieser Hinweis wäre nämlich überflüssig gewesen, wenn der Hersteller gar kein Nachfolgemodell aufgelegt hätte. Aufgrund des genannten Hinweises sei den Verbrauchern auch klar, dass es sich bei der angegebenen Preisempfehlung um die ehemalige Preisempfehlung für eben dieses Vorjahresmodell handele.

 

Mit dem angefochtenen, am 03.06.2015 verkündeten Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil hat die 13. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum den Hauptantrag zu a) zurückgewiesen und den Verfügungsbeklagten nach dem Hilfsantrag zu a) sowie dem Antrag zu b) verurteilt.

 

Gegen dieses Urteil wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie verfolgt den vom Landgericht zurückgewiesenen Hauptantrag zu a) weiter und erstrebt eine Verurteilung des Verfügungsbeklagten nach diesem Antrag anstelle der Verurteilung nach dem Hilfsantrag.

 

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise könne nur dann ausgeschlossen sein, wenn der Verkehr allein aus der Angabe einer Jahreszahl, die nicht dem aktuellen Kalenderjahr entspreche, darauf schließe, dass es sich bei dem angebotenen Produkt um ein ausgelaufenes Modell handele, welches der Hersteller nicht mehr in seinem Sortiment habe. Dies sei allerdings fernliegend. Allein die Nennung einer Jahreszahl sei nicht geeignet, insofern für Klarheit zu sorgen. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, dass im Fahrradhandel allgemein ein jährlicher Modellwechsel stattfinde. Es sei noch viel weniger ersichtlich, dass eine solche (eventuelle) Übung den angesprochenen Verkehrskreisen allgemein bekannt sei. im Übrigen sei die Angabe „Modell 2014“ selbst im gegenteiligen Falle nicht geeignet, das angebotene Fahrrad als Auslaufmodell zu kennzeichnen. Denn das aktuelle Sortiment des Herstellers stamme - wie der Gültigkeitsbeginn der aktuellen Herstellerpreisliste zeige - bereits aus dem Jahre 2014.

 

Die Verfügungsklägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und zu a) gemäß dem Antrag zu a) aus der Antragsschrift vom 15.04.2015 (Anmerkung des Senats: hiermit ist der Hauptantrag zu a) gemeint) zu fassen.

 

Der Verfügungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

Der Verfügungsbeklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts. Soweit in den vorstehenden Ausführungen Fundstellen in der Gerichtsakte angegeben sind, wird wegen der Einzelheiten auf die dort befindlichen Dokumente verwiesen.

 

Die - zulässige - Berufung der Verfügungsklägerin ist begründet.

 

Das Landgericht hat den Hauptantrag zu a) zu Unrecht zurückgewiesen Der Verfügungsbeklagte ist - soweit es um die unter a) gestellten Anträge geht - nach dem Hauptantrag und nicht nach dem Hilfsantrag zu verurteilen. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag ist nicht veranlasst.

 

B.

Der zulässige Hauptantrag zu a) ist begründet. Insoweit liegen sowohl ein Verfügungsgrund als auch ein Verfügungsanspruch vor.

 

I. Es besteht ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt.

 

II. Es besteht auch ein Verfügungsanspruch. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3, § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 UWG.

 

1. Die Bezugnahme auf eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers ist u.a. dann als irreführend anzusehen, wenn diese im Zeitpunkt der Werbung nicht mehr gültig ist, weil sie keinen Bestand mehr hat, und der Werbende auf diesen Umstand nicht hinweist [BGH, GRUR 2004, 437 Fortfall einer Herstellerpreisempfehlung]; OLG Köln, Urteil vom 28.05.2014- 6 U 178/13 <juris>).

 

a) Der Verfügungsbeklagte hat - wenn auch mit einer geringfügigen Abweichung beim Cent-Betrag - auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers für das angebotene Fahrradmodell Bezug genommen. Diese Preisempfehlung war zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen lnternetangebotes nicht mehr gültig. Das angebotene Fahrradmodell ist in der aktuellen Herstellerpreisliste nicht mehr enthalten, dementsprechend enthält die aktuelle Preisliste auch keine Preisempfehlung für das angebotene Modell mehr, Die Preisempfehlung für das angebotene Modell aus der vorangegangenen Preisliste war zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Angebotes nicht mehr gültig. Von der Fortgeltung einer Preisempfehlung kann jedenfalls nach einer kurzen Übergangsfrist von etwa einem Monat regelmäßig nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Hersteller diese nicht mehr allgemein, etwa in seinen aktuellen Preislisten anführt (BGH, a.a.O.).

 

b) Der Verfügungsbeklagte hat auf den Umstand, dass die von ihm angegebene um verbindliche Preisempfehlung zum Zeitpunkt seines Angebotes nicht mehr gültig war, nicht hinreichend deutlich hingewiesen.

 

aa) Die Wiedergabe der Preisempfehlung ist nicht mit einem Zusatz wie z.B. „ehemalige“ oder „frühere“ versehen, der unmissverständlich klargestellt hätte, dass die angegebene Preisempfehlung zum Angebotszeitpunkt nicht mehr existierte.

 

bb) Der bloße Hinweis, dass es sich bei dem angebotenen Modell um das „Modell 2014“ handelt, ist nicht ausreichend, um darauf hinzuweisen, dass die angegebene Preisempfehlung nicht mehr existent war.

 

Das streitgegenständliche Angebot richtet sich an das allgemeine Publikum, dessen Auffassung die Mitglieder des erkennenden Senates aufgrund eigener Sachkunde beurteilen können. Ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrskreises wird die Angabe „Modell 2014“ von vornherein nicht als Hinweis darauf verstehen, dass es sich bei dem angebotenen Modell nicht (mehr) um das aktuelle Modell, sondern um ein Vorläufermodell handelt. Die eventuell bestehende Praxis (mancher) Fahrradhersteller, ihr Sortiment jährlich vollständig zu erneuern, ist keineswegs allgemein bekannt. Schließlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass insbesondere diejenigen Kunden, die wissen, dass der Hersteller „Kreidler“ sein aktuelles „Jahresprogramm“ mit der entsprechenden Preisliste jeweils schon im August des Vorjahres auf den Markt bringt und veröffentlicht, der Angabe „Modell 2014“ gerade entnehmen, dass es sich um das aktuelle Modell handelt. Ein nicht unerheblicher Anteil derjenigen Verbraucher, die die Angabe „Modell 2014“ bei isolierter Betrachtung gleichwohl für einen Hinweis darauf halten würden, dass es sich bei dem angebotenen Modell um ein Vorjahresmodell handelt, wird darüber hinaus angesichts des Fehlens eines Zusatzes wie z.B. „ehemalige“ oder „frühere“ bei der Wiedergabe der Preisempfehlung davon ausgehen, dass es sich bei dem angebotenen „Modell 2014“ trotz der Jahreszahlangabe „2014“ noch um ein aktuelles Modell des Herstellers handelt oder der Hersteller dieses Modell zumindest noch anbietet und hierfür noch eine Preisempfehlung unterhält.

 

2. Die Irreführung ist geschäftlich relevant, weil sie geeignet ist, die wirtschaftliche Entschließung der angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen (BGH, a.a.0.).

 

3. Umstände, die geeignet sind, die aufgrund des begangenen Verstoßes zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.

 

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Da eine Entscheidung über den Hilfsantrag zu a) nicht veranlasst ist, bedarf es auch keiner Entscheidung der Frage, ob das von dem Verfügungsbeklagten hinsichtlich dieses Hilfsantrages abgegebene Anerkenntnis „sofort“ im Sinne des § 93 ZPO erfolgt ist. Da eine Entscheidung über den Hilfsantrag nicht veranlasst ist und dementsprechend auch nicht ergeht, liegen auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht vor, und der Hilfsantrag darf daher weder bei der erstinstanzlichen noch bei der zweitinstanzlichen Streitwertfestsetzung Berücksichtigung finden.

Druckversion | Sitemap
© HKMW Rechtsanwälte 03/2024