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LG Düsseldorf, 38 O 2/21 - Nachträgliche Änderung der Marke in ASIN

Nachträgliche Änderung/Einfügung der Marke einer ASIN auf Amazon stellt eine abmahnbare Behinderung der angehängten Mitbewerber dar

 

In einem von Rechtsanwalt Malte Mörger geführten Verfahren hat das Landgericht Düsseldorf festgestellt, dass die nachträgliche Änderung einer Amazon Standard Identification Nummer (ASIN) bei Amazon durch Ersetzung der hinterlegten Marke in die eigene Marke des Ändernden und die anschließende Abmahnung der angehängten Verkäufer wg. Irreführung infolge der Nichtlieferung der angepriesenen Markenware eine gegen § 4 Nr. 4 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßende Behinderung darstellt, die Unterlassungsansprüche begründet und abgemahnt werden kann.

 

In dem entschiedenen Fall hatte ein Konkurrent unserer Mandantin versucht, diese und andere Händler von einer ASIN zu verdrängen, indem er Amazon zunächst veranlasste, die seit Jahren existierende Eintragung im Feld „Marke“ in seine eigene Marke zu ändern und sodann nach Testkäufen und der Feststellung, dass nicht seine Markenwaren geliefert wurden, wegen Irrführung abmahnen lassen.

 

Der abmahnende Händler griff damit auf einen vermeintlich gangbaren Weg zur Monopolisierung von gut rankenden ASIN zurück, den der Bundesgerichtshof in der Entscheidung: „Angebotsmanipulation bei Amazon“ (BGH, 03.03.2016 - I ZR 140/14 (https://dejure.org/2016,22540)) scheinbar vorgegeben hatte. In dieser Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof einen Händler wegen einer Markenverletzung zu Unterlassung verurteilt, der eine gleichartige Änderung einer ASIN ebenfalls nicht bemerkt und sodann falsche, nämlich nicht die in dem Angebot genannte Markenware – ausgeliefert hatte. Der Bundesgerichtshof hatte angenommen, dass an Angebote auf Amazon angehängte Händler die Angebote regelmäßig auf Änderungen prüfen müssten. Diese Entscheidung des BGH hat sich allerdings nicht mit der Frage beschäftigt, ob die nachträgliche Änderung des Markenattributs der ASIN ihrerseits eine unlautere Wettbewerbshandlung darstellt.

 

Diese Lücke schließt das Landgericht Düsseldorf nunmehr mit der Feststellung, dass die nachträgliche Änderung des Markenattributs der ASIN ihrerseits eine unlautere geschäftliche Handlung ist, gegen die die angehängten Händler vorgehen können.

 

In dem Urteil heißt es hierzu:

„Die Klägerin kann gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 4 Nr. 4 UWG die Unterlassung des mit dem Antrag zu 1 beanstandeten Verhaltens beanspruchen.

 

a) Die allgemeinen Voraussetzungen eines auf Wiederholungsgefahr gestützten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs unter dem Gesichtspunkt der gezielten Behinderung sind erfüllt.

 

aa) Die Parteien sind Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG. Beide handeln mit künstlichem Urin. Die Klägerin tut dies in nicht nur unerheblichen Umfang und nicht nur gelegentlich, woraus sich gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ihre Anspruchsberechtigung ergibt. Zwar haben sich die Parteien zu dieser Frage nicht ausdrücklich geäußert. Nach dem Hergang der Prozesses ist aber nicht zweifelhaft, dass die Geschäftstätigkeit der Klägerin in diesem Bereich den an ihren Umfang und ihre Dauer zu stellenden maßvollen Anforderungen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – I ZR 128/21 – Zweitmarkt für Lebensversicherungen II [unter II 2 b]) genügt.

 

bb) Das von der Klägerin beanstandete Verhalten – das Herbeiführen der Änderung der Produktdetailseite durch Aufnahme der Marke des Beklagten – erfüllt die Merkmale einer geschäftlichen Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG). Die Tätigkeit hat der Beklagte in seiner Eigenschaft als Gewerbetreibender zugunsten seines Unternehmens entfaltet. Der erforderliche objektive Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes seiner Produkte ergibt sich daraus, dass die Bekämpfung (vermeintlich) unlauterer Verhaltensweisen von Mitbewerbern dazu dient, die Stellung des eigenen Unternehmens zu stärken und damit geschäftliche Entscheidungen von Akteuren der Marktgegenseite zugunsten des eigenen Unternehmens zu beeinflussen.

 

cc) Die angegriffene geschäftliche Handlung hat der Beklagte entweder selbst vorgenommen (§ 8 Abs. 1 S. 1 UWG) oder von jemandem vornehmen lassen, dessen Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 2 UWG einen Unterlassungsanspruch auch gegen ihn begründet.

 

dd) Die Handlung ist, da sie – wie noch darzustellen sein wird – einen Unlauterkeitstatbestand erfüllt, nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig.

 

ee) Ein unzulässiges Verhalten begründet die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Gefahr der Wiederholung entsprechender Verstöße (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2020 – I ZR 126/18 – WarnWetter-App [unter B III 5 a]).

 

b) Das das Herbeiführen der Änderungen in der Produktdetailseite ist nach § 4 Nr. 4 UWG unlauter.

 

aa) Nach § 4 Nr. 4 UWG handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert. Das setzt ein Verhalten voraus, dass objektiv geeignet ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 – I ZR 253/14 – World of Warcraft II [unter B III 3 f bb]), die wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber in einer Weise zu beeinträchtigen, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist, wobei die Beeinträchtigung im Allgemeinen unlauter ist, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können, was sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls – unter Einbeziehung namentlich der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit – bei objektiver Betrachtung beurteilen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 2021 – I ZR 192/30 – Flying V [unter B III 1]).

 

Für die Annahme einer unlauteren Behinderung ist keine auf die Behinderung gerichtete Absicht erforderlich; es genügt, wenn sich eine Wettbewerbshandlung zwar als Entfaltung eigenen Wettbewerbs darstellt, aber das Eigeninteresse des Handelnden unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wettbewerbsfreiheit weniger schutzwürdig ist als die Interessen der übrigen Beteiligten und der Allgemeinheit (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 – I ZR 164/12 – wetteronline.de [unter B III 1 b cc (6)]; Urteil vom 19. Februar 2009 – I ZR 135/06 – ahd.de [unter II 3 b dd]). Das Tatbestandsmerkmal des gezielten Handelns soll keine subjektiven Erfordernisse aufstellen, sondern die in der Rechtsprechung herausgearbeiteten Formen des unlauteren Behinderungswettbewerbs erfassen; dafür ist entscheidend, ob eine Handlung bei funktioneller, d.h. am Schutzzweck des Wettbewerbsrechts (§ 1 UWG) ausgerichteter, objektiver Betrachtung nachteilige Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen hat die so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen, ohne dass für ihre Bewertung als unlauter der subjektive Kenntnisstand des Handelnden von Bedeutung wäre (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 – I ZR 96/04 – Außendienstmitarbeiter [unter II 2 e bb und cc]).

 

bb) Die von dem Beklagten veranlasste Änderung der Produktdetailseite war zu einer Behinderung der Klägerin bei ihrer Geschäftstätigkeit geeignet.

 

Die Einfügung der Produktmarke in die Produktdetailseite hatte zur Folge,

dass das dieser Seite zugeordnete Angebot der Klägerin mit der Änderung

der Seite im Katalog irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1

UWG wurde, da die Klägerin keine mit dieser Marke gekennzeichneten Produkte führt und ihre Tätigkeit nicht darauf ausgerichtet hat, solche Ware auf eingehende Bestellungen auszuliefern. Da Änderungen von Produktdetailseiten erfahrungsgemäß von Händlern, deren Angeboten der Seite zugeordnet sind, nicht sofort bemerkt werden, ist damit zu rechnen, dass – wie auf die von dem Beklagten veranlasste Testbestellung hin tatsächlich geschehen – die Klägerin auf eingehende Bestellungen weiterhin ihre (nun nicht mehr den Beschreibungen auf der Produktdetailseite entsprechenden) Waren ausliefert, dadurch mit ihr über die Plattform abgeschlossene Kaufverträge verletzt und sich Sachmängelansprüchen wegen Falschlieferung (§ 434 Abs. 5 BGB) aussetzt.

 

cc) Das Verhalten des Beklagten verletzt schutzwürdige Interessen der Mitbewerber. Die Änderung steht mit den vom Marktplatzbetreiber vorgesehenen (und von den Parteien vorgelegten) Regularien, deren Befolgung für alle teilnehmenden Händler verpflichtend ist, die sie für ihre Zulassung auf dem Marktplatz zur Kenntnis nehmen müssen und auf deren Beachtung durch andere Händler sie im Grundsatz vertrauen dürfen, nicht in Einklang.

 

Nach den „Richtlinien für Produktdetailseiten“ ist zwischen Produktdetailseiten (oder ASINs) für Markenware und solchen für generische Produkte zu unterschieden, wobei unter letzteren Produkte verstanden werden, die oder deren Verpackung nicht dauerhaft mit einer Markenkennzeichnung versehen sind. Keine Marke im Sinne der Amazon-Richtlinien ist der Name des Verkäuferkontos, es sei denn, dass mit diesem Namen zugleich die Produkte selbst oder ihre Verpackung dauerhaft gekennzeichnet sind (vgl. Amazon-Richtlinie für Markennamen, Abschnitt „Was gilt bei Amazon als Marke?“). Wer ein mit einer Marke gekennzeichnetes Produkt anbieten möchte, zu dem bereits eine Produktdetailseite (oder ASIN) existiert, die aber entweder keinen oder einen anderen Markennamen nennt, darf diese ASIN nicht ändern, sondern muss für sein Produkt eine neue Produktdetailseite erstellen (vgl. Richtlinien für Produktdetailseiten, neunter Aufzählungspunkt im ersten Abschnitt sowie zweiter und dritter Aufzählungspunkt im Unterabschnitt „Richtlinien für die Bearbeitung von Detailseiten“).

 

Danach hätte der im Jahr 2015 zu der ASIN B013M0EY2Y erstellten Produktdetailseite die Marke CleanU nicht zugeordnet werden dürfen, weil es sich bei dieser ASIN um eine markenfreie Detailseite für generische Produkte handelte. Zwar war dort als Markenattribut „BlackDefender“ genannt. Dabei handelte es sich jedoch lediglich um den Namen des Verkäuferkontos des Händlers, der die Produktdetailseite angelegt hatte. Da die Angabe des Verkäuferkontos den Plattformrichtlinien widersprach, hätte die Produktdetailseite zwar geändert werden dürfen. Diese Änderung hätte aber dahin gehen müssen, die Seite so zu kennzeichnen, wie das für generische Produktdetailseiten vorgesehen ist, also das Zeichen „BlackDefender“ zu entfernen. Unzulässig war es dagegen, es gegen die Marke „CleanU“ des Beklagten auszutauschen. Das gilt auch dann, wenn unter der ASIN bislang – wie der Beklagte behauptet – lediglich von ihm hergestellte Ware vertrieben worden sein sollte. Denn der Beklagte vertreibt die von ihm hergestellten Produkte erst seit dem Jahr 2016 oder 2017 unter seiner Marke „CleanU“. Deshalb stellt das Markenzeichen „CleanU“, selbst wenn es sich bei der schon 2015 unter der ASIN B013M0EY2Y angebotenen Ware um solche aus dem Hause des Beklagten handeln sollte, im Sinne der „Richtlinien für Produktdetailseiten“ eine neue Marke da, weil die ursprünglich über die ASIN vertriebene Ware mit dieser Marke nicht gekennzeichnet war. Es hätte deshalb für den Vertrieb der mit „CleanU“ gekennzeichneten Waren eine neue ASIN angelegt werden müssen.

 

dd) In der bei Anwendung des § 4 Nr. 4 UWG gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände bei objektiver Betrachtung stellt sich die Behinderung der Klägerin, die der Beklagte durch die von ihm veranlasste Änderung der Produktdetailseite zur ASIN B013M0EY2Y herbeigeführt hat, als gezielt und in Anbetracht dessen das Verhalten des Beklagten gemäß § 4 Nr. 4 UWG als unlauter dar. 

 

Der Beklagte hat sich mit seinem Verhalten außerhalb der für die Nutzung der Handelsplattform vorgegebenen Regularien gestellt. Die von ihm veranlasste, von dem Regelwerk des Marketplace nicht gedeckte Änderung stellt sich bei der gebotenen objektiven Betrachtung als Versuch dar, die seit längerem existierende, allen Händlern von in 25ml-Beuteln abgepacktem künstlichem Urin offenstehende Produktdetailseite für sich zu monopolisieren und auf dieses Weise andere Händler (wie die Klägerin) „bewusst in die Falle laufen“ lassen (vgl. zu einer solchen Konstellation OLG Frankfurt/M., Urteil vom 27. Oktober 2011 – 6 U 179/10, MMR 2012, 183 [unter II 2]). Ein solches, den für den gemeinsam genutzten Marktplatz als verbindlich anerkannten Regeln zuwiderlaufendes Verhalten widerspricht dem Wesen des Wettbewerbs und ist gegenüber den Belangen der dadurch als Mitbewerberin beeinträchtigten Klägerin nicht schutzwürdig. Dabei kann zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass bislang nur aus seinem Hause stammende Ware über die ASIN vertrieben wurde, weil die ASIN wie schon ausgeführt ursprünglich als generische Seite angelegt wurde und die spätere Einführung der Marke „CleanU“ zur Kennzeichnung der von dem Beklagten herstellten Waren deshalb nach den Regularien des Marketplace zur Anlage einer neuen ASIN für die diese Markenware hätte führen müssen und nicht zur Änderung der bestehenden und bislang markenfreien ASIN.“

 

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

 

Sollten auch Sie von nachträglichen Änderungen an ASIN betroffen sein, stehen wir Ihnen zur Verfügung.

 

mö, 381/2020, 18.09.2022

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